
Preisübergabe des 4. HUMAN ROOTS AWARD am 18. November 2022 im archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS. v.l.n.r.: Dr. Joao Marreiros, Dr. Olaf Jöris, Dr. Bernolf Eibl-Eibesfeldt, Dr. Tamara Dogandžić, Prof. Dr. Michael Tomasello, Univ.-Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Dr. Lutz Kindler, Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch. Foto: © MONREPOS / RGZM, E. Bentz
„Was uns Menschen zum Menschen macht“ - Nachbericht zum HUMAN ROOTS AWARD 2022
Univ.-Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Leiterin von MONREPOS, freute sich, nach einer zweijährigen, pandemiebedingten Zwangspause die rund 70 Gäste auf Schloss Monrepos begrüßen zu können. Mit dem HUMAN ROOTS AWARD ehrt die Institution des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Leibniz-Forschungsinstituts für Archäologie (RGZM) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen für ihre Beiträge zum Verständnis der menschlichen Verhaltensevolution.
„In MONREPOS wollen wir untersuchen, was uns Menschen als Individuen auszeichnet und was uns als Spezies eint“, erklärte Gaudzinski-Windheuser in ihrem Grußwort. Auch wenn sich viele Wissenschaftsdisziplinen dieser Frage widmen, so seien Archäologen in vielen Fällen die einzigen, die die Hypothesen der anderen Disziplinen anhand der materiellen Archive der Vergangenheit überprüfen können. Durch den HUMAN ROOTS AWARD wolle MONREPOS eine Brücke zwischen der »Archäologie der Menschwerdung« und anderen Wissenschaften schlagen, um die archäologische Sichtweise auf die »Menschwerdung« mit der humanistischen Agenda des »Menschseins« zu verknüpfen. So eröffne auch Tomasello mit seinen Thesen neue Perspektiven für die Forschung des archäologischen Forschungszentrums, erklärte Gaudzinski-Windheuser.
„Ein echter Universalwissenschaftler“
Tomasello, der 20 Jahre am Max-Plank-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig forschte, war aus North Carolina angereist, wo er zurzeit an der Duke Universität in North Carolina Vergleichende Psychologie und Entwicklungspsychologie lehrt. In der Kooperation sieht der 72-jährige Preisträger den entscheidenden Entwicklungsschritt, der den Menschen von anderen Primaten unterscheidet. Das liege vor allem an grundlegenden Besonderheiten der menschlichen sozialen Kognition, der komplexen Formen des sozialen Lernensund der Kommunikation. Zusammengenommen entsteht so die kumulative Kultur des Menschen, in die wir „unbemerkt“ hineinwachsen und sie zugleich weiter verändern.
„In einer Zeit, in der sich die Wissenschaft immer mehr spezialisiert, ist es eher selten, einem Wissenschaftler wie Michael Tomasello zu begegnen“, sagte Dr. Tamara Dogandžić, wissenschaftliche Mitarbeiterin in MONREPOS und Jurymitglied, während ihrer Laudatio. „Was uns Menschen von anderen Säugetieren unterscheidet – dieser Frage geht er in erster Linie aus der Perspektive der Entwicklungs- und vergleichenden Psychologie nach. Er bedient sich aber auch der Linguistik, der Primatologie, den Neurowissenschaften, der Anthropologie, der Biologie und nicht zuletzt auch der pleistozänen Archäologie. Er ist ein echter Universalwissenschaftler“.
Richard Dawkins, Schirmherr des HUMAN ROOTS AWARDS bedauerte nicht persönlich zugegen sein zu können, übersendete seine Glückwünsche aber in einer Videobotschaft.
Am Folgetag der Preisverleihung diskutierte Tomasello mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in MONREPOS zu disziplinübergreifenden Fragen der Menschwerdung.
HUMAN ROOTS AWARD
Der HUMAN ROOTS AWARD ehrt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen für ihre Beiträge zum Verständnis der menschlichen Verhaltensevolution. Der Preis wird seit 2017 von MONREPOS ausgelobt und versteht sich mittlerweile als »kleiner Nobel-Preis« der Archäologie und der Verhaltensevolution des Menschen. Der internationale Forschungspreis ist mit 10.000 Euro dotiert und steht für die Förderung des interdisziplinären wissenschaftlichen Dialogs.
Nach dem Tod von Irenäus Eibl-Eibesfeldt, einem der Gründerväter der Humanethologie und Schirmherr des ersten HUMAN ROOTS AWARD, obliegt seit 2018 dem Oxforder Evolutionsbiologen Richard Dawkins die Schirmherrschaft. Dawkins war erster Preisträger im Jahr 2017; 2018 wurden Steven Pinker von der Harvard Universität (USA) und 2019 der Oxforder Evolutionspsychologe Robin Dunbar mit dem HUMAN ROOTS AWARD geehrt. Pandemie-bedingt wurde die Verleihung des Preises in den letzten beiden Jahren ausgesetzt. Mit der vierten Preisverleihung wird nun wieder an dieser Tradition angeknüpft.
Pressekontakt
Ebru Esmen M.A.
ebru.esmen(at)rgzm.de
MONREPOS Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution
MONREPOS ist Museum und Forschung zugleich. Als Außenstelle des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, des Leibniz-Forschungsinstituts für Archäologie, wird in Schloss Monrepos bei Neuwied seit über 30 Jahren geforscht. Das Forschungszentrum und Museum ist eng mit dem Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie am Institut für Altertumswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz verbunden.
Unser Forschungsinhalt ist das millionenschwere Erbe, das wir in uns tragen. Denn über mehr als 2,5 Mio. Jahre hat sich unser menschliches Verhalten entwickelt. Diese frühe Menschheitsgeschichte umfasst den längsten und zugleich prägendste Abschnitt unserer Verhaltensevolution, deren Erforschung sich MONREPOS verschreiben hat. Unsere Archäologie lebt vom Miteinander, vom Fragen, Anstoßen, Diskutieren. Nicht zuletzt von der Kritik und von Toleranz. Sie braucht Neugierige, Kreative und Mutige - ob in Wissenschaft, Ehrenamt, Presse oder als Besucher. MONREPOS versteht sich als Plattform all derer, die verstehen möchten, woher der Mensch kommt und was ihn eint.
Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) | Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie
Das RGZM erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie die materiellen Hinterlassenschaften aus 2,6 Mio. Jahren Menschheitsgeschichte. Ziel ist es, anhand archäologischer Funde und Befunde menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das RGZM exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Das RGZM ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas, wobei ein geographischer Schwerpunkt auf Mittel- und Südeuropa sowie dem mediterranen Raum liegt. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben.